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Der 8-Stufenweg im Yoga nach Patañjali, seine Bedeutung und Absicht.


Der 8-Stufenweg im Yoga nach Patañjali, seine Bedeutung und Absicht.

Das Yoga Sûtra des Patañjali ist die allgemein anerkannte Grundlage der heutigen Yogapraxis. Es handelt sich um einen Leitfaden, in dem die philosophischen Grundlagen und die Erfahrungen der Yoga-Tradition klar und prägnant zusammengefasst wurde.

Eine geeignete Ausgabe ist jene, die von T.K.V. Desikachar „übersetzt“ wurde, denn eine Übersetzung der Verse Patañjalis benötigt auch eine Interpretation, da die Verse sehr knapp und ohne das Hinzufügen von Ergänzungen kaum verständlich sind. Sie wurden als Stütze für Yogalehrende in knappen Sätzen, die eher Überschriften ähneln, verfasst. Das eigentliche Wissen wurde mündlich weitergegeben. Diese Umstände, und auch dass der Sanskrit in vielerlei und unterschiedliche Bedeutungen übersetzt werden kann, erfordern einen eingeweihten Übersetzer, der selbst diesen Pfad durch jahrelanges Üben gegangen ist.

Die vor über 2000 Jahren verfassten Yoga-Sûtras beschreiben den achtstufigen Pfad (Yoga-Sûtra 2.29.), der später als Weg des Rāja-Yoga bezeichnet wurde. Er enthält vier Aspekte für den körperlichen Yoga und vier Aspekte für den geistigen Yoga. Man kann sie als eine Art von Stufenweg zur Erleuchtung ansehen oder sich eine Figur mit acht Armen vorstellen, die alle benutzt werden möchten.

Dieser Weg der acht Stufen wird gegangen, damit wir den inneren Ursprung unserer Probleme, den klesas, erkennen und diesen Pfad verlassen. Die Ursache für unser Leid, nämlich unsere Probleme klar zu unterscheiden, ist das falsche Verstehen. Wir können nicht unterscheiden zwischen dem, was wahrgenommen wird und dem was wahrnimmt. Patañjali erklärt, dass es eine innere, unabhängige Kraft gibt, die nichts mit Geist, Körper oder unseren Sinnen zu tun hat. Dieses mangelnde Vermögen zu erkennen, woher unser Wahrnehmen kommt und dass es Veränderungen unterliegt, die wir nicht erkennen, führt zu großem Leid, ja, das falsche Verstehen führt zu einem oberflächlichen und fehlerhaften Verständnis des Charakters, des Ursprungs und der Auswirkungen dessen, was wir wahrnehmen. Dieses falsche Verstehen ist der Ursprung aller klesas, derer fünf sind: falsches Verstehen, ein irrtümliches Verständnis von der eigenen Person, drängendes Verlangen, unbegründete Abneigung und tiefsitzende Unsicherheit. Um uns davon zu lösen und zu trennen, damit Klarheit und in der Folge Freiheit zu erlangen gibt es den Pfad mit acht Gliedern, der alle Dimensionen menschlichen Daseins berücksichtigt.

Bedeutung und Absicht des achtstufigen Pfades von Patañjali unter Berücksichtigung der Lehre von Paramahansa Yogananda :

Die Menschen gehen davon aus, dass sie von Gott getrennt sind, aber alles ist aus einer intelligenten göttlichen Ordnung heraus entstanden und der Mensch von Gott nicht getrennt. „Die gesamte vibrierende Schöpfung ist eine nach außen gerichtete Manifestation des Geistes.“ Es gibt fünf Stufen der Evolution, die fünf Koshas, die das höchste göttliche Selbst umkleiden. Alles entsteht aus dem Geist und dieser ist in allem enthalten. Er ist mal mehr, mal weniger spür- oder sichtbar.

Aus diesem Grund lohnt es sich das Gefühl der inneren Distanz und Trennung vom Göttlichen systematisch zu verringern. Dieses gelingt mit dem achtstufigen Pfad Patañjalis, dem Rāja-Yoga, der königlichen Wissenschaft der Seele. Wenn wir diesen Weg beschreiten haben wir die Möglichkeit „die kosmische Weisheit und göttliche Wahrnehmung Jesu“ in jedem von uns wieder zu leben und das unendliche Christusbewusstsein zu verkörperlichen. „Wir sind alle Kinder Gottes, von Anbeginn bis in alle Ewigkeit.... Jesus bestätigte, was die Heilige Schrift lehrt: „Ihr seid Götter.“ Legt eure Masken ab! Tretet ganz offen auf als das, was ihr seid, als Söhne Gottes!“(6, P. Yogananda, S. 21)

Diese acht Stufen, Glieder oder Disziplinen heißen:

1.Yama: ethische Regeln, äußere Disziplin

Yama (Yoga-Sûtra 2.30.) umfasst Regeln über das Verhalten anderen gegenüber. Keiner lebt allein auf dieser Welt. Daher muss jeder lernen, mit den anderen Wesen richtig umzugehen. Wer sich selbst beherrscht, vermag es, dem Leben die richtige Richtung zu geben. Er ist dann nicht nur Spielball der äußeren Umstände, sondern er nimmt sein Schicksal selbst in die Hand, verändert die Umstände und gestaltet sein Leben nach seinen Idealen. Das klingt alles einfacher als es ist – es erfordert tägliche Disziplin.

Yama besteht aus fünf Unterpunkten, deren Erarbeitung alleine schon unglaublich intensiv ist (Yoga-Sutren 2.35. - 2.39.).:

  • Ahimsa: Die empfohlene Regel bedeutet Abwesenheit von Ungerechtigkeit und Grausamkeit. Es ist vollständige Gewaltlosigkeit. Unter Ahimsa versteht man den wohlüberlegten Umgang mit allen Lebewesen – sowohl in Gedanken, Worten und Taten. Daher erklärt sich für Yogis eine vegetarische, wenn nicht sogar vegane Lebensweise. Auch Hilfsbereitschaft erwächst aus dieser Forderung, das Helfen von Lebewesen in Not. Diese innere Einstellung wird sich im Gegenüber spiegeln. Ahimsa erfordert viel Mut und Verbindung zum eigenen Herzen und der ewigen Wahrheit.

Yogananda dazu: „… Ein Mensch, der Gewaltlosigkeit übt, sollte dem Bösen Widerstand leisten – nicht mit körperlicher Gewalt, sondern mit der Kraft seines Geistes. Gandhi war ein Krieger ohne Rüstung, abgesehen vom undurchdringlichen Brustpanzer der Wahrheit. Gewaltlosigkeit bedeutet passiven Widerstand gegen das Böse durch Liebe, geistige Kraft und Vernunft, ohne Anwendung körperlicher Gewalt. Ein Mensch, der Gewaltlosigkeit ausübt ist folgender Meinung: Wenn zum Schutz der Unschuldigen Blut vergossen werden muss, dann soll es mein eigenes Blut sein! Menschen, die geistigen Widerstand gegen ungerechte Gesetze leisten und dabei ihren eigenen Tod heraufbeschwören, sorgen dafür, dass es schließlich weniger Blutvergießen in der Welt geben wird....“ (8, P. Yogananda, S.302)

  • Satya: befasst sich mit den Themen Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit, Treue und Loyalität. Satya bedeutet wahrhaftig sein, die Wahrheit sprechen, wahrhaftig handeln. T.K.V. Desikachar sagte dazu „Je wahrhaftiger ein Mensch spricht, desto mächtiger werden seine Worte.“ Ehrlichkeit bedeutet auch, sich selbst nicht zu belügen und Fehler einzugestehen. Wenn jedoch die Wahrheit jemanden verletzten könnte, ist es manchmal besser zu schweigen. So beinhaltet Satya auch den bewussten Umgang mit Worten. Wenn wir vollkommen wahrhaftig sind, ist es ein leichtes unsere Göttlichkeit und Macht zu erkennen.

  • Asteya: Nichtstehlen und Nichtbegehren. Dies bedeutet nichts zu nehmen oder zu stehlen, was einem nicht gehört oder einem nicht zusteht. Damit sind sowohl Gegenstände, wie auch geistige Dinge gemeint, wie etwa geistiges Eigentum oder Dinge, die im Vertrauen ausgesprochen werden. Wer nichts begehrt, genießt volles Vertrauen und die Umwelt reagiert großzügig. Wir geben uneigennützig und durch das Gesetz der Resonanz werden wir, je mehr wir geben, umso mehr erhalten. Wir können nur Geben, wenn wir uns reich fühlen, also macht uns das uneigennützige Geben reich.

  • Brahmacharya: Char heißt soviel wie „bewegen“, und brahma „die Wahrheit“. Somit bedeutet die vierte Regel des Yama, die Bewegung auf das Wesentliche hin. Unsere Bestrebungen sollten dem Verständnis und der Erkenntnis der höchsten Wahrheit förderlich sein. Es wird auch als Enthaltsamkeit interpretiert, z.B. von Suchtmitteln oder Sex. Sexualität soll maßvoll, in Liebe und Achtung vor seinem Partner gelebt werden und immer auf das Höchste, Göttliche ausgerichtet sein. Es soll keine Triebbefriedigung gelebt werden. Ein reiner Lebenswandel wird geraten. Der Geist soll vor Dingen, die Unklarheit bringen, geschützt werden. Brahmacharya ist Reinheit in Gedanken, im Wort und in der Tat.

  • Aparigraha: meint soviel wie „Hände weg“, „ergreife die Gelegenheit nicht“. Es ist die Enthaltung von Gier. Das Nichtbesitzergreifen. Es geht darum, Menschen nicht auszunutzen und nur das anzunehmen, was angemessen ist. Wir sollen also nicht Besitz ergreifend sein. Besitz kann eine zu große Last bedeuten. Auch bei Belohnungen oder Geschenken soll ein Yogi zurückhaltend sein, da dadurch beispielsweise Verpflichtungen entstehen können. Ein solcher Yogi wird vollkommenes Verständnis von sich selbst gewinnen.

„Lebt ein Mensch in vollkommener Übereinstimmung mit dem yama, wird er niemals davon abweichen, egal welcher Berufung er folgt, an welchem Ort und zu welcher Zeit er lebt und welcher Art seine momentanen Umstände sind. So erfüllt er die höchste Stufe.“ (21, Patañjali, 2.31.)

Damit wird ein inneres Loslösen von allen Verstrickungen in der äußeren Welt und ihren materiellen und ideellen Reizen angestrebt. Lügen, Begierden und Gewaltanwendung passen nicht zum Weg des Yoga.

2. Niyama (Yoga-Sûtra 2.32.), die innere Disziplin und Selbstreinigung, gehört wie Yama zu den geistigen Regeln und birgt ebenso interessante Aufgaben in sich, bei denen es um die Auseinandersetzung mit sich selbst geht: die Selbstreflexion – sozusagen ein Zwiegespräch mit sich selbst. Es sind Empfehlungen, nach denen ein Yogi streben sollte. Patañjali definiert die Unterpunkte des Niyama für den Yogapfad folgendermaßen (Yoga-Sûtren 2.40.- 2.45.):

  • Sauca: Die erste Regel des Niyama wird übersetzt mit Sauberkeit, Reinheit. Der Körper muss geschützt, rein gehalten und gepflegt werden, damit er gesund bleibt und seinem Hauptzweck dienen kann. Gibt man dem Körper äußere Hygiene, die richtige Nahrung, gutes Wasser und die nötige Bewegung so bleibt er beweglich und jung. Auch der Geist sollte stets rein gehalten werden. Ebenso die unmittelbare Lebensumgebung.

  • Santosa: bedeutet Genügsamkeit, Bescheidenheit, Zufriedenheit mit dem, was wir haben. Es bedeutet „ja“ zur Welt zu sagen, die Existenz in ihrer Pracht und Einmaligkeit zu erkennen. Zufriedenheit heißt nicht Entsagung oder Verzicht. Zufriedenheit ist ein positiver Geisteszustand. Entsagung ein negativer. Es ist eine Betrachtungsweise des Lebens, indem man sieht, was ist und Möglichkeiten erkennt. Unzufriedenheit entsteht, wenn man sich auf das konzentriert, was nicht ist. Echte, tiefe, innere Zufriedenheit lässt uns grenzenloses Glück erfahren. Es ist das Umschalten in unserem Herzen, einfach den Hebel umlegen und Zufriedenheit leben.

  • Tapas: Es ist das Gebot, die „innere Glut“ zu schüren – wörtlich heißt es „erhitzen“. Gerade die Praxis von Āsanas und Prānāyāma trainiert und erhitzt den Körper und gibt Unreinheiten über die Ausscheidung (Apāna) und die Atmung ab. Dadurch kann sich der Körper von Schlacken reinigen und dabei auch geistige Klarheit gewinnen. Die geistige und körperliche Disziplin führt zur Beherrschung der Sinne.

  • Svadhaya: Das Gebot der Selbsterforschung. Wörtlich heißt es „an etwas nahe herangehen“, es geht um die Reflexion meines Ichs – mich erkennen, auch Eigenkritik üben können. Beispielsweise während der Āsanapraxis: Sich selbst beobachten, um über sich viel zu erfahren. Welche Übungen gefallen mir und welche sind mir unangenehm. Wie gehe ich damit um? Wiederholt sich alles? Oder verändern sich meine Ansichten und Verhaltensweisen? Gibt es Parallelen zu meinem Alltag? Mit Svadhaya ist man Lehrer und Schüler in einer Rolle – also selbst sein größter Lehrmeister, und es entsteht tiefstes Verstehen von äußerst komplexen Dingen.

  • Ishvara-Pranidhna: Das fünfte Gebot wird mit „Hingabe“ übersetzt. Es ist die Hingabe an Gott oder die Schöpfung. Wir weihen also alle Handlungen dem Göttlichen. Dabei spielt es keine Rolle wie Gott oder das Höchste definiert wird. Sei es eine persönliche Gottheit oder ein universelles Prinzip. Es geht darum, sich mit ganzem Herzen einer Sache hinzugeben, alle anderen Dinge und Geschehnisse loszulassen, frei von Begierden eins mit dem Göttlichen zu werden. Gerade bei der Praxis der Yogaübungen ist das Loslassen von Alltagsgedanken möglich. Es ist dabei möglich, sich nur auf den gegenwärtigen Moment zu konzentrieren, sich ihm überlassen. Das führt letztendlich zu mehr Konzentration für Aufgaben und Pflichten, die wir jeden Tag erledigen müssen oder wollen.

Ishvara-Pranidhna ist also der Yoga-Pfad des Bhakti. Alles was wir tun, darf nicht leer gemacht werden, nur wenn unser Herz voller Hingabe bei unserem Tun ist, erfahren wir Vereinigung.

Zu Yama und Niyama passt folgende Erläuterung von Yogananda, die von Verzicht und Entsagung handelt: „Sich von allem Handeln durch Yoga zu lösen, bedeutet, dass der Yogi nur noch für Gott tätig ist. Die Gita betont immer wieder, dass ein buchstäbliches „Verzichten auf alle Handlungen“, an dem die „geistig“ Trägen gefallen finden, keine wahre Entsagung ist. Den wahren Entsagenden erkennt man daran, dass er für Gott tätig ist, aber auf die Früchte seines Handelns verzichtet – nicht daran, dass er untätig ist. Ein solcher Gottsucher ist sowohl ein Yogi als auch ein Entsagender, weil er eins mit Gott ist und nicht mehr nach den Früchten seines Handelns verlangt. Das ist mit den Worten „sich mit Yoga von der Arbeit lösen“ gemeint. Der Gottsucher entrinnt der Welt der Erscheinungen und erreicht die „Dinge an sich“, die Welt der Wahrheit, indem er nicht mehr an weltlichen Gegenständen hängt und den Früchten seines Handelns entsagt. Er reißt sich von den illusorischen Zweifeln des Ego los, das sich fragt, was Wirklichkeit und Unwirklichkeit sei, und ruht in seinem wahren Selbst; so wird er auf transzendente Weise frei von den karmischen Fesseln, die das Ego an die Welt binden.“ (8, P. Yogananda, S. 644)

3. Āsana „sthirasukhamasanam – Āsana sollen gleichermaßen die Qualitäten Stabilität und Leichtigkeit haben.“, (Yoga-Sûtra 2.46)

Die dritte Disziplin ist die Praxis der Körperhaltung, bzw. Körperübungen „Āsanas“ (Yoga-Sûtren 2.46 – 2.48) als Vorbereitung zur „richtigen Hinsetzung“ im Meditationssitz, der unabdingbar für die folgenden Stufen ist, die nur noch sitzend ausgeführt werden. Āsana wird heute allgemein als Yoga verstanden und ist die Stufe, die in Europa am bekanntesten ist und die die meisten Menschen mit Yoga verbinden. Es ist aber tatsächlich „nur“ eine von acht Disziplinen des Yoga.

Nur mit einem geübten und abgehärteten Körper besitzen wir die Grundvoraussetzung für unsere geistige Entwicklung. Die jeweils richtige Körperhaltung ist dann ein wesentlicher Aspekt bei allen weiteren Yogaübungen. Sie ist eine Grundbedingung für jede Art von Meditation.

In einem Āsana soll man sich wohlfühlen und keinen Schmerz empfinden. Die Āsana-Praxis führt dazu, dass der Mensch auch durch extreme Einflüsse nicht aus seinem Gleichgewicht gebracht werden kann.

„Eine Übungspraxis wird nur dann Erfolge zeigen, wenn wir sie über einen langen Zeitraum ohne Unterbrechung beibehalten, wenn sie von Vertrauen in den Weg und von einem Interesse, das aus unserem Innern erwächst, getragen ist.“ (Yoga-Sûtra 1.14.)

4. Prānāyāma ( Yoga-Sûtra 2.49. – 2.53.), die Atemregelung

Die Kunst der Atemübungen ist die vierte Disziplin, die ein hohes Maß an Körperbeherrschung voraussetzt. Ayama bedeutet soviel wie „strecken, ausdehnen“. Pran bescheibt das, „was ununterbrochen überall“ ist. Prāna ist absolute Energie, universelle Lebenskraft. Patañjali schreibt der bewussten und kontrollierten Atmung ein besonderes Gewicht zu. Sie soll uns direkt in den Versenkungszustand führen. Tatsächlich beeinflussen wir mit unserem Atem unmittelbar die energetischen Potentiale in unserem Körper. Wir sind darüber hinaus in der Lage, durch eine bewusste und gelenkte Atmung durchgreifende Veränderungen in unserem Bewusstsein herbeizuführen. Die meisten Atemübungen bestehen aus vier Teilen:

1. Ausatmen (Recaka)

2. Luftanhalten mit leeren Lungen (Sunyak)

3. Einatmen (Puraka)

4. Luftanhalten mit gefüllter Lunge (Kumbhaka)

Das Ziel ist, möglichst viel Prāna (Lebensenergie) in den Körper zu leiten, um den Geist vom Irdischen zu lösen. Prānāyāma war lange Jahrhunderte eine geheime Lehre, sodass Yogaschüler frühestens nach 20 Jahren Āsana-Praxis in die Atemkunst des Yoga eingeweiht wurden.

Die Atmung ist einer der bedeutendsten Schlüssel und eine besondere Hilfe für die nun folgenden Übungen der Konzentration und der Meditation.

„Die stetige Praxis von Prānāyāma verringert Blockaden im Geist, die uns an einer klaren Wahrnehmung hindern.“(21, Yoga-Sûtra 2.52.)

„...Die Yogis überlegten sich daher Folgendes: Wenn der Körper nicht zerfiele und sich keine Toxine in den Zellen ansammelten, wäre auch das Atmen nicht nötig. Eine solch wissenschaftliche Herrschaft über den Atem, die den Zerfall des Körpers verhinderte, würde das Atmen überflüssig machen und Herrschaft über Tod und Leben verleihen. Aus dieser intuitiven Einsicht der alten rishis entstand die Wissenschaft und Kunst des Prānāyāma, der Beherrschung der Lebenskraft. Die Bhagavad-Gita empfiehlt Prānāyāma als eine allgemein geeignete Methode für den Menschen, der seine Seele von der Knechtschaft des Atems befreien will.“ (8, P. Yogananda, S.612)

5. Pratyāhāra (Yoga-Sûtra 2.54. - 2.55.), das Zurückhalten der Sinne von den Objekten, die Beherrschung der Sinneswahrnehmung.

Die Sinnesorgane, durch die wir die Welt als Farbe, Klang, Geruch, Geschmack oder sensorische Empfindung wahrnehmen sind oft auch verknüpft mit einer Bewertung in angenehm oder unangenehm. Das eine wünschen wir uns, das andere möchten wir vermeiden.

In Pratayahara wird die Verbindung des Geistes und der Sinne getrennt. Die Sinne ziehen sich von den Objekten zurück. Es ist ein passiver Vorgang. Obwohl die Gegenstände weiterhin existieren, lassen sich die Sinne in diesem Zustand nicht beeinflussen. Sie reagieren nicht mehr auf äußere Reize. Der Geist wird nicht mehr von Außen genährt. Die Sinne ruhen – sie richten sich auf das Innere. Es ist das Nach-innen-Lenken der Aufmerksamkeit. Der Mensch von heute ist derart extern orientiert, dass eine innere Schau fast unmöglich erscheint, aber durchaus über Disziplin erarbeitet werden kann. Wenn wir uns unablässig auf den Atem konzentrieren, wird es einen Moment geben, in dem sich die Sinne ganz von selbst beruhigen und zu uns zurückkehren. In diesem Zustand zu verweilen ist die Sinne zu beherrschen. Je öfter wir uns darin üben, eine solche Situation herbeizuführen, umso besser wird es gelingen. Ein Zurückziehen der Sinne ist nicht mit der Abschirmung von der Außenwelt zu verwechseln, sondern führt zu der Fähigkeit, auch im äußeren Trubel innerlich gelassen zu bleiben und negative Bewertungen durch eine positive Einstellung zu ersetzen.

Wenn wir die Sinne nicht von den Verlockungen zurück ziehen, und dem breiten Pfad der Befriedigung der Sinne folgen, führt dies zur Zerstörung. Wir müssen uns innerlich entscheiden welchem Weg wir folgen wollen: der Pfad des Yogi, der Befreiung bringt ist ein schmaler Grat. Pratyāhāra ist das wichtige Werkzeug um den Pfad zu entscheiden.

„Pratyahahara geschieht, wenn der Geist in der Lage ist, seine gewählte Richtung beizutragen und die Sinne nicht wie gewöhnlich mit den Objekten, die sie umgeben, verbinden. Im Zustand von Pratyahahara folgen die Sinne dem Geist in seiner Ausrichtung.“ (21, T.K.V. Desikachar, Yoga-Sûtra 2.54.

6. Dhāranā ( Yoga-Sûtra 3.1.), die Konzentration

Die sechste Stufe ist eine Vorstufe zur wahren, gedankenfreien Meditation. Dhāranā ist die Konzentration, die Ausrichtung auf einen Punkt, eine Richtung. Es heißt soviel wie „halten“. Wenn wir eine bestimmte Aktivität unseres Geistes immer mehr verstärken, dann verschwinden die anderen Aktivitäten des Geistes. In Dhāranā richten wir unsere Konzentration nur auf eine Sache aus, sie kann dabei ganz konkreter oder auch abstrakter Natur sein. Man kann beispielsweise versuchen sich auf eine Blume im Garten zu konzentrieren. Die assoziativen Bilder wie Garten, Duft der Blumen oder das Gefühl der Wärme der Sonne abzutrennen und nur noch Blume zu sein – das ist die Fertigkeit des Dhāranā. Es ist die bewusste Verbundenheit mit einem Betrachtungsgegenstand. Eine „Ein-Punkt-Konzentration“ über einen längeren Zeitraum aufrechtzuerhalten, der mehr als einige Minuten umfasst, wird durch die unablässige Aktivität unseres Geistes torpediert. Patañjali lehrt allerdings auch die Geduld mit sich selbst, was bei dieser Disziplin wahrhaft notwendig ist.

„Dhāranā ist die Fähigkeit, unseren Geist auf einen Gegenstand auszurichten.“ (21, T.K.V. Desikachar, Yoga-Sûtra 3.1.)

7. Dhyāna ( Yoga-Sûtra 3.2.), die Meditation

Die siebte Stufe lehrt, das Denken gänzlich zum Erliegen zu bringen. Dhyāna ist damit die Disziplin der wahren Meditation. Hier wird Versenkung geübt, die auf das Erkennen des schöpferischen Prinzips vorbereitet. In diesem Zustand offenbaren sich höhere Dimensionen und der Yogi erhält Einblicke ins Absolute, sein „GuRu“ (das, was uns vom dunklen zum Licht führt) bekommt viel Freiraum. Die Erfahrungen sind nicht mehr mit Worten zu beschreiben. Bei der sechsten Disziplin, Dhāranā, nimmt der Geist die Form dessen an, worauf man sich konzentriert, wie Wasser die Form eines Glases annimmt, in das es gegossen wird. Im Zustand des Dhyāna jedoch lösen sich nun alle Formen auf. Auf diese Weise können wir mit universellem Wissen erfüllt werden – die Aktivitäten des Geistes kommen gänzlich zur Ruhe.

„Im Zustand von Dhyāna sind alle Aktivitäten unseres Geistes in einem ununterbrochenem Fluss nur auf dieses Objekt ausgerichtet." ( 21, T.K.V. Desikachar, Yoga-Sûtra 3.2.)

8. Samādhi ( Yoga-Sûtra 3.3.), die Versenkung

Zum Schluss kommt die höchste Stufe: Samādhi ist der Zustand absoluter Glückseligkeit – das höchste Ziel eines Leben im Yoga. Samādhi heißt soviel wie „etwas ganz nahe an ein anderes heranbringen“, es ist das reine Bewusstsein, die Einheitserfahrung, die Erkenntnis des Allwissens. In Samādhi verschmilzt der Geist vollständig mit dem Gegenstand der Meditation. Alle Attribute, die eine individuelle Persönlichkeit ausmachen, verschwinden. Nichts steht mehr zwischen dem Gegenstand und dem Geist. Er wird eins mit ihm. Es ist die Versenkung, in der keine individuelle Identität mehr vorhanden ist. Es ist eine kontemplative Erfahrung von Bewusstsein. Ein Gefühl der Einheit mit Allem entsteht.

„Es fällt uns schwer, uns einen Zustand völliger Ruhe und Entspanntheit vorzustellen, in dem der ständige Wirbel von Gedanken und Gefühlen aufhört. Aber gerade in einem solchen Zustand der Stille können wir uns auf eine Ebene innerer Freude und Einsicht erheben, die auf andere Weise unerreichbar ist.“ (6, P. Yogananda, S. xi)

„Wenn unser Geist mit dem in uns, was erkennt, vollständig identisch ist, herrscht Freiheit.“ (21, T.K.V. Desikachar, Yoga-Sûtra 3.55.)

Als Yogi gilt es, diese acht Aspekte in sein eigenes Leben zu integrieren und zu kultivieren. Sie werden oft unterschiedlich interpretiert. Alle acht Aspekte sind Empfehlungen und keine Zwänge. Am Ende soll das Beste für einen selbst und die Umwelt herauskommen. Es sind also keine starren Regeln. Fehlinterpretationen und Übertreibungen sollen somit vermieden werden. Es kann beispielsweise sein, das jeder Aspekt für die unterschiedlichen Lebensphasen, in denen wir uns befinden, eine andere Bedeutung bekommt.

Die Entwicklungsstufen von Dhāranā über Dhyāna hin zu Samādhi beschreiben den Prozess der Mediation in verschiedenen Tiefegraden. Sie werden auch als Samyama bezeichnet, wenn sich die Meditation auf einen bestimmten Gegenstand richtet. Diese drei Stufen sind eher schwierig und Yogananda beschreibt mehrere Ebenen. Gerade der Zustand von Samādhi wird als Gottvereinigung bezeichnet, als Erwachen der „Seele“:

„Dieses „Erwachen“ der Seele im Zustand der Selbstverwirklichung macht sich zuerst vorübergehend in tiefer Samādhi-Meditation bemerkbar – nachdem man erfolgreich Prānāyāma geübt und Herrschaft über die Lebenskraft erlangt hat. Dadurch werden Lebenskraft und Bewusstsein von den Sinnen zurückgezogen und nach innen gelenkt, wo man sich der Seele und Gottes bewusst ist. Wenn der Yogi höhere Zustände des Samādhi erreicht, wird diese Verwirklichung zu einem immerwährenden Zustand.

Es gibt verschiedene Stufen der Verwirklichung oder Gottvereinigung. Zuerst hat man im Überbewusstsein die Erkenntnis, dass das Ego eins mit der Seele ist. Dann folgt in den Zuständen des Christusbewusstseins (Kutastha-Chaitanya) und kosmischen Bewusstseins die Erkenntnis der Einheit von Seele und GEIST.

So wie es fortschreitend höhere Zustände der Verwirklichung gibt, so gibt es auch verschiedene Stufen des Samādhi: Jada, den unbewussten Trancezustand; Savikalpa, Wahrnehmung des GEISTES, ohne die Wellen der Schöpfung; und Nirvikalpa, den höchsten Zustand, die gleichzeitige Wahrnehmung des GEIST-Meeres und all seiner Wellen der Schöpfung.“ (8, P. Yogananda, S.120)

Übungsbeispiele um den Zustand von Pratyāhāra zu erreichen:

- tiefe Konzentration und Meditation: hier wird der Zustand des Zurückziehens der Sinne als Vorstufe erfolgen... Alle Meditationen und auch die Konzentration auf einen Objekt, ja bereits die tiefe Entspannung wie in Yoga Nidrā bewirken Pratyāhāra.

- Konzentration auf OM,

- Prānāyāma Übungen bewirken ebenso eine Befreiung der „Tyrannei der Sinne“,

- in der tiefen Verehrung „Bhakti“ entziehen wir uns dem Reiz der Sinne,

- geeignete Āsanas: Kurmasana, die Schildkröte

zusammengerolltes Blatt

Adho Mukha Svanasana, herabschauender Hund

Vrikshasana, der Baum

etc.

Text verfasst von Sonja Suheyla Peinl

8 Stufenweg Patanjalis

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